12.11.11, Jour Fixe

“Unfallgeschehen 2011″
Ing. Günther RAICHER
(Leiter Unfalluntersuchungsstelle   Luftfahrt)

“Vom Flugbetriebsleiter bis   DECAS – Helfer oder Fluch?”
Ing. Franz EHMOSER  &  Ing. Sebastian KLUG(Luftfahrzeugtechniker)

Hierzu ein Bericht zu beiden Vorträgen von Ing. Herbert Licenik:

Am Sa. 12.11. war der erste Vortrag aus dem “LOAN JourFixe” des Österreichischen Kuratoriums für Flugsicherheit, dessen Präsident Axel Schwarz ist. Der Initiator des JFX, Erich Tuscher, ist leider heuer im Frühjahr verstorben, aber das Team Annemarie Beyer-Desimon und Heinz Pfleger setzen die Vortragsreihe gewohnt professionell fort.

Dieses eine Mal war‘s eine neue Örtlichkeit, und zwar der Clubraum des Flugring Austria in LOXN.

Vortrag 1:  ”Unfallgeschehen 2011″.
Günther RAICHER, Leiter der Sicherheitsuntersuchungsstelle Zilluftfahrt (neuer offizieller Name)

Gleich zu Beginn kam die ungefragte Antwort, warum auf der versa-Seite keine neuen Untersuchungsberichte veröffentlicht werden:

Kurze Zeit hatte die Dienstelle nur 3 Mitarbeiter, viele Berichte sind in Arbeit. Nach einem ICAO-Audit von 2,5 Jahren wurde die Stelle vom Ministerium aufgestockt, die neuen Kollegen müssen sich erst einarbeiten. Für nächstes Jahr wurden einige Veröffentlichungen in Aussicht gestellt.

2011 war ein trauriges Jahr für die GA, überdurchschnittlich viele Tote.

Hier die vorgetragene Liste der Unfälle:

24.3. Heli Hughes300 Landeunfall am Pogusch, Totalschaden, aber keine schweren Personenschäden. Flugerfahrung Schein + 5h.

30.3. BMI-Heli EC135 am Achensee. Nach steilem Sinkflug (4000ft/min) knapp über dem See bei Windstille geflogen; Höhe schwer abschätzbar. 4 Tote.

5.5. Ital. UL an der Westbahn bei Hochfilzen. Nach Notfallmeldung an Zell/See (unverständlich) “auffällige Flugmanöver”. 2 Tote.

29.6. Senkrechter Absturz eines Motorflugzeuges (Routineflug) bei Scharnstein, wahrscheinlich Stall. 1 Toter.

6.7. C172 in Mauterndorf, Überschlag am Bahndamm nach T/O wg. zu geringer Steigrate. Startversuch ohne Klappen und Leanen, Platzhöhe 3640ft, 26°. 2 Schwerverletzte.

7.7. Segelkunstflug mit Fox, in 100m GND Ansatz einer Rolle, außer Kontrolle geraten. 2 Tote.

30.7. Holländisches Motorflugzeug: Bodenkollision in Nordalpen im Bereich Thiersee. Alpenflug bei tw. 1000ft Untergrenze. 1 Toter, 1 Schwerstverletzter.

21.8. Mauterndorf, eine Gardan Horizon GY80 steigt nach normalem Start nicht mehr, Kollision mit Bäumen. Gear+Flaps sind bei dem Muster fix gekoppelt, Fluggast war der FBL. 2 Tote.

28.8. C150 + Dimona kollidieren im short final in Zell/See, sind ca. 10min nebeneinander geflogen, ohne sich zu sehen. 4 Tote.

14.9. DA42 in LOAV kappt die Stromleitung in short Final zur 31, viel zu tief geflogen. Keine Verletzungen, Sachschaden vergleichsweise gering.

26.10. TMG ASH26E, Kollision mit Geierwand im Stubachtal, zu tief geflogen für geplantes Manöver.

Über die Unfälle der C172 in Italien (Gutmann) und der Cheyenne in Toulouse gibts noch zu wenige Infos, um belastbare Aussagen machen zu können.

 

Vortrag 2:  ”Vom Flugplatzbetriebsleiter bis TCAS; Helfer oder Fluch?”
Franz Ehmoser, Sebastian Klug, Luftfahrzeugtechniker.

1. Teil, TCAS-Entwicklung:
1961 ACAS (Aircraft Collission Avoidance System), noch viele Fehlwarnungen
1975 BCAS (Beacon Collission Avoidance System): Vorreiter für heutiges TCAS

Um das A/C werden virtuelle “Schutzschirme” gezogen, Durchmesser ca. 25 km,
Höhe ca. 2km.

3 abgestufte Größen der Schutzschirme:
4min bis zur “Kollision”: Erfassung und Anzeige
40sec: Traffic Advisory (TA)
25sec: Resolution Advisory (RA)

1982 TCAS 1 Traffic Collission Avoidance System, gibt nur TAs
1989 TCAS 2 Zusätzlich RAs 2001 TCAS 3 Zusätzlich RAs in horizontaler Ebene
2006 TCAS 4 ELS, ESH, nützt zusätzlich ADS-B und GPS des Kollisionsziels

Dann wurden noch passive (PCAS) Systeme und FLARM vorgestellt, hier darf die einschlägige Diskussion als bekannt vorausgesetzt werden.

Zusatz-Einwand von mir: Diese Systeme suggerieren eine Genauigkeit (Punkt am Bildschirm), die sie nicht haben. zB bei Blechfliegern werden bis zu 70% des Signals abgeschattet und/oder verfälscht. Entsprechend ungenau ist die Angabe, wo mein “Gegner” wirklich ist.

2. Teil, Kommunikation:
80-90% sind nonverbal, 10-20% verbal. Am Flugflunk aber: Nur verbal!

Pro Tag finden in Europa 2 RWY incursions und ca. 10 level busts wegen schlechter Kommunikation statt.

Hier in Kurzform die wichtigsten genannten Funktips:

Unklarheiten vermeiden, Standard-Phraseologie verwenden. Funksprüche nicht abkürzen (auf Funktaste bleiben bis der Spruch fertig ist). Pausen vermeiden. Gesamtes Callsign benützen bis ATC abkürzt, mögliche Konflikte aufzeigen.

Die Top 5 Tips für Piloten:
KEINE Freigaben/Anweisungen/Infos als Frage zurücklesen.
Radiocheck bei längerer Funkstille.
Beim Zurücklesen einer conditional clearance zuerst die condition: “Hinter der OE-ABC zum Rollhalt”.
Befolge die gegebene, nicht die erwartete Freigabe.
Unklarheiten? Immer rückfragen!

Die Top 5 Tips für FBLs:
Frequenzwechsel als seperate Instruktion geben.
Nicht mehr als 2 Instruktionen in einer Übermittlung.
Ablenkungen vermeiden (Telefon!)
Unklarheiten? Immer rückfragen!
If it’s urgent: sound urgent!

Allgemein kam ein Aufruf an die FBLs, bei Start und Anflug Stressvermeidung zu pflegen. zB. Startzeit-Übermittlung gleich nach dem T/O, Abfrage unwichtiger Details wenn das Flugzeug gerade in einem komplizierten Anflug ist (LOAN, LOAV).

Thema war auch die Unsitte an manchen unkontrollierten Plätzen, “Quasi-Freigaben” zu geben: Anfug fortsetzen. sie sind Nr. 2 zur Landung, … das führt dazu, daß manche Piloten den Eindruck haben: Der hat das im Griff, ich kann mich auf die “Freigabe” verlassen, ich bin in Sicherheit. Der PIC trägt die Verantwortung, nicht der FBL.

Auch die Gestaltung mancher Meldepunke mitten in der Gegend und deren Benennung war Thema, auch die häufige Verschiebung derselben (siehe N in LOAV).

Die weiteren Vorträge finden jeweils am 2. Samstag des Monats in LOAN statt. Wer Interesse an der Teilnahme hat, bitte Mail an Fr. Annemarie Beyer-Desimon oder
Heinz Pfleger, oder, wenn nicht bekannt, auch an mich, ich leite es gerne weiter.

Noch 2 interessante Links: http://www.eurocontrol.int http://www.skybrary.aero

Danke für die Geduld an alle, die sich bis hierher durchgekämpft haben.

Gruß Herbert

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